Restrukturierung oder Turn-Around sind zwei – zum Teil euphemistisch genutzte – Begriffe für die Sanierung von Unternehmen. Im schlimmsten Fall handelt es sich um akute Krisenfälle. Mit der strukturellen Neuausrichtung soll das „Ruder herumgerissen“ und die Wende zum Besseren eingeleitet werden. Unternehmen mit Restrukturierungsbedarf sind häufig mit Finanzierungsproblemen konfrontiert. Nicht selten zehren Verluste schon länger an der Kapitalsubstanz, Banken zeigen sich – das Ausfallrisiko fürchtend – zunehmend reserviert, Kredite zu gewähren. Wenn, dann sind die Konditionen deutlich ungünstiger als zuvor gewohnt. Dabei wird gerade in einer solchen Situation dringend „frisches Geld“ benötigt: um Investitionen für die Neuausrichtung zu finanzieren, Personalabbau abzufedern oder um neue Märkte zu erschließen.
Warum sich viele Investoren zurückhalten
Die Möglichkeiten, sich durch „Gesundschrumpfen“ und Abstoßen von Unternehmensteilen die nötigen Mittel selbst aus dem Unternehmen zu beschaffen, sind begrenzt. In vielen Fällen werden Investoren von außen gesucht, die dem Unternehmen wieder auf die Beine helfen sollen. Die zu finden, ist gar nicht so einfach. Denn die „Lage“ macht das Investment nicht gerade attraktiv, zumindest ist es hochriskant. Private Investoren scheiden in der Regel wegen zu geringer Kapitalbasis und aufgrund fehlender Erfahrungen mit insolvenzgefährdeten Unternehmen aus. Auch institutionelle Anleger wie Fondsgesellschaften lassen von solchen Investments lieber die Finger.
Dennoch muss die Suche nicht ergebnislos sein. Es gibt professionelle Investoren, die sich auf Unternehmen mit Restrukturierungsbedarf ausgerichtet haben. Grundsätzlich lassen sich drei Gruppen unterscheiden:
1. Distressed Debt-Investoren
„Distressed Debt“ steht für „notleidender Kredit“. Distressed Debt-Investoren übernehmen bestehende Kredite an kriselnde Unternehmen von bisherigen Kreditgebern – naturgemäß mit einem erheblichen Abschlag für das erhöhte Ausfallrisiko. Die Hoffnung besteht darin, dass sich das Unternehmen fängt und die Kredite doch ordnungsgemäß bedient werden. In diesem Fall bietet das Kredit-Investment einen überdurchschnittlichen Gewinn. Neues Kapital erhält das Unternehmen auf diesem Weg allerdings nicht. Der Distressed Debt-Investor verhält sich abwartend und überlässt dem Unternehmen weitgehend den „Turn around“. Der Vorteil aus Unternehmenssicht besteht im „Stillhalten“ des Investors ohne „Einmischung von außen“. Ein bekannter, auch in Europa aktiver, Distressted Debt Investor ist beispielsweise Cerberus.
2. Buyout-Investoren
Buyout-Investoren sind in erster Linie an aktuell unterbewerteten Unternehmen interessiert. Das Ziel besteht darin, heute eine Beteiligung günstig zu erwerben und später – bei „richtiger“ Bewertung durch den Markt – gewinnbringend zu verkaufen. Der Investment-Horizont ist eher mittelfristig. Unterbewertungen sind bei Unternehmenskrisen nicht untypisch, aber nicht darauf beschränkt. Sie kommen auch bei an und für sich gesunden Unternehmen vor, wenn es einen „Knackpunkt“ gibt – zum Beispiel eine ungeklärte Nachfolgefrage. Häufig werden solche Investments „echten“ Sanierungsfällen vorgezogen. Buyout-Investoren haben vorwiegend ein Kapital- bzw. Rendite-Interesse. Restrukturierungs-Aktivitäten fokussieren sich darauf, baldige Wertsteigerungen bezogen auf die eigene Beteiligung zu erzielen.
3. Turn-Around-Investoren
Turn-Around-Investoren bilden die wohl „wertvollste“ Investoren-Gruppe für Unternehmen mit Restrukturierungsbedarf, aber auch die anspruchsvollste und herausforderndste. Sie stellen nicht nur Kapital zur Verfügung, sondern nehmen auch aktiv Einfluss, um das Unternehmen wieder auf den Erfolgsweg zu bringen – nicht selten gegen den Willen der bisherigen Eigner und Manager. Turn-Around-Investoren beteiligen sich häufig nicht nur, sondern übernehmen das Unternehmen mehrheitlich oder komplett, was die weitreichendste Einflussnahme ermöglicht. Es besteht daher ein nachhaltiges Interesse daran, den Turn-Around zu schaffen. Dazu bringen die Investoren eigenes Management-Know How ein – oft unter Ablösung und Austausch des bisherigen Managements. Die Erwartung ist, nach der Sanierung, von einem „kern“gesunden und wettbewerbsstarken Unternehmen mit guten Erträgen zu profitieren. Die Investment-Perspektive ist eher langfristig, die Exit-Option zu einem späteren Zeitpunkt nicht ausgeschlossen, aber zunächst nicht priorisiert. Turn-Around-Investoren greifen oft tief in bestehende Unternehmensstrukturen und -abläufe ein. Das Engagement bedeutet einen gravierenden Einschnitt.
Turn-Around-Investments gehören bei einigen Private Equity Fonds – zum Beispiel Bregal oder Capiton – ausdrücklich zur Investment-Philosophie. In der Regel werden daneben auch noch andere Investment-Schwerpunkte verfolgt, alleine schon aus Gründen der Risikostreuung. Dennoch ist das Restrukturierungs-Investment interessant, weil es nicht nur überdurchschnittliche Risiken, sondern auch überdurchschnittliche Renditechancen bietet. Haftete solchen Investoren in der Vergangenheit oft ein „Heuschrecken“-Image an, ist das Bild inzwischen positiver geworden. In vielen Fällen bedeutet das Engagement eine Rosskur, ist aber auch der bessere und nachhaltigere Weg, um eine schwierige Lage erfolgreich zu meistern.
Dieser Beitrag ist Teil unserer Statistiken und Definitionen der deutschen Investmentbranche.
Bildquelle: Sean Pollock via Unsplash (30.06.2022)
Listen von Turn-Around Investoren für Krisen-Unternehmen
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Der Inhalt dieser Seite wurde zuletzt aktualisiert am: 10.10.2024