Unter einer Unternehmensübernahme, Fusion oder Verschmelzung können sich die meisten Wirtschafts-Laien etwas vorstellen. Durch Kauf von Unternehmen oder Erwerb von Unternehmensanteilen wird ein Konzern größer. Es gibt aber auch den umgekehrten Prozess: die Ausgliederung von Unternehmen oder Unternehmensteilen. In diesem Zusammenhang tauchen häufiger die Begriffe „Spin-off“ und „Carve-Out“ auf, die wir hier näher definieren wollen.
Das englische Wortpaar „spin off“ lässt sich wörtlich etwa mit „herausdrehen“ übersetzen und verdeutlicht bildlich, worum es geht. Aus einem bestehenden Unternehmen wird ein Teil „herausgedreht“, um daraus ein neues – zumindest rechtlich, oft auch wirtschaftlich selbständiges – Unternehmen zu bilden. Ein anderes gern genutztes Bild ist das des „Ablegers“ und stammt aus dem Gartenbau. Ableger sind eine gärtnerische Vermehrungsmethode über Bildung von Tochterpflanzen aus einer vorhandenen Mutterpflanze. Dem deutschen Umwandlungsrecht entsprechend handelt es sich bei Spin-Offs um eine Ausgliederung. Vorschriften dazu finden sich im Umwandlungsgesetz. Nach dem „Spin-Off“ bestehen zwei Unternehmen, wo es vorher nur eins gab: die alte Gesellschaft und ein daraus ausgegründetes Unternehmen.
Spin-Off Definition: wenn Unternehmensteile ausgegliedert werden
In der Praxis entstehen viele Spin-Offs aus Forschungs- und Entwicklungsabteilungen größerer Unternehmen. Dort entwickelte Innovationen sind zwar häufig vielversprechend und bieten gute Geschäftsperspektiven, passen aber nicht unbedingt zur Ausrichtung und Strategie. Nicht selten fehlen die Voraussetzungen, um die „Neuheiten“ selbst am Markt anzubieten. Die Ausgliederung soll die Chance eröffnen, die „unternehmensfremden“ Innovationen zur Geschäftsreife zu entwickeln und erfolgreich zu vermarkten, ohne dass das in eigener Verantwortung und „mit Bordmitteln“ geschehen muss. Ein Stück weit wird damit auch das Risiko des Scheiterns „ausgegliedert“. Die Ausgliederung eröffnet außerdem Möglichkeiten, neue und zusätzliche Investoren und Finanzierungspartner von außen für die Realisierung eines Geschäftsmodells zu gewinnen.
Bei einem Spin-Off in unserer Definition erhalten die Aktionäre des Ursprungs-Unternehmens ihrem Anteil entsprechend Aktien des ausgegliederten Unternehmens „gratis“ oder zumindest Gratis-Bezugsrechte. Man kann daher anschließend in zwei Unternehmen Aktionär sein. Buchungstechnisch bleibt die Vermögensposition „unter dem Strich“ unverändert. Die Gratiszuteilung dient dazu, die Rechte der bestehenden Aktionäre zu wahren. Die Eigentümer-Struktur bei Alt- und Neu-Unternehmen ist zunächst identisch. Wenn der Spin-off zu einem Erfolg wird, ist mit der Ausgliederung für Alt-Aktionäre ein spürbarer Mehrwert verbunden.
Nicht immer ein Glücksfall
Spin-Offs kommen häufiger vor als man denkt. Manchmal sind sie ein Zwischenschritt für einen späteren Verkauf oder Börsengang. Beispiele für bekannte Spin-Offs sind die in den 1990er Jahren erfolgten Ausgliederungen der Halbleiter-Sparte und der IT-Sparte aus dem Siemens-Konzern. Daraus wurden die neuen Unternehmen Infineon und SIS Informationstechnologie. Ein weiteres Beispiel ist die Ausgründung von LANXESS als Spezialchemie-Konzern im Jahr 2005. Damit hat der BAYER-Konzern seine Chemie-Sparte und Teile seines Polymer-Bereichs verselbständigt. Dass nicht jeder Spin-Off zum Glücksfall wird, zeigt die 2003 erfolgte Ausgliederung der Hypo Real Estate aus der früheren HypoVereinsbank (heute Teil des Unicredit-Konzerns). Die Hypo Real Estate wurde in der Finanzkrise zu einem echten Problemfall und konnte schließlich nur mit staatlicher Hilfe gerettet werden.
Carve-Out Definition: einen Teil herausschneiden
„Carve-Out“ bedeutet wörtlich übersetzt „Herausschneiden“ oder „Herausschnitzen“. Für den Begriff gibt es eine engere und eine weitere Definition. Im weiteren Sinn (i.w.S.) wird er für Ausgliederungen aus einem Unternehmen mit anschließendem Börsengang oder Verkauf verwandt. Das Ziel besteht dann darin, Unternehmensteile, die nicht mehr zum Kerngeschäft oder zur Strategie passen, gewinnbringend zu veräußern. Einem solchen Carve-Out kann ein Spin-Off vorangehen, zum Teil werden beide Begriffe synonym gebraucht.
Im engeren Sinn bezeichnet der Begriff einen sogenannten Equity Carve-Out. Dann werden nicht alle Aktien eines ausgegliederten Unternehmens an die Börse gebracht, sondern nur ein Teil. Das Unternehmen bleibt in der Regel im Mehrheitsbesitz des Ursprungsunternehmens – als Mutter-Tochter-Verhältnis. Im Rahmen eines solchen Equity Carve-Outs kann zum Beispiel aus einer 100 Prozent-Tochter eine 75 Prozent-Tochter werden. 25 Prozent werden an die Börse gebracht. Solche Carve-Outs dienen häufig dazu, bei Wertsteigerungen im Zeitablauf „Kasse zu machen“, ohne die unternehmerische Kontrolle aufzugeben.
Deutsches Spin-Off Beispiel OSRAM
Eine schöne Spin-Off- und Carve-Out-Geschichte nach unserer Definition weist die OSRAM Licht AG auf. Der bekannte Leuchtwarenhersteller OSRAM war ursprünglich ein selbständiges Unternehmen und wurde 1978 eine 100 Prozent-Tochter von Siemens. Im Vorfeld eines für 2013 vorgesehenen Börsengangs (Carve-Out) wurde OSRAM zunächst aus dem Siemens-Konzern abgespalten (Spin-Off). Die Siemens-Aktionäre erhielten dabei für 10 Siemens-Aktien je eine OSRAM-Gratisaktie.
Anfänglich war Siemens noch an OSRAM beteiligt, bis 2017 bestand eine 17 Prozent-Beteiligung. Inzwischen befindet sich das Unternehmen zu zwei Dritteln in Streubesitz, der Rest gehört Investment-Gesellschaften. OSRAM seinerseits realisierte 2015 ein Spin-Off durch Ausgliederung seiner Sparten „Glühlampen“ und „LED-Lampen für Allgemeinbeleuchtung“ in das neue Unternehmen Ledvance. Dieses Unternehmen wurde 2018 im Rahmen eines Carve-Outs i.w.S. komplett an das chinesische Licht-Unternehmen MLS und den Finanzinvestor Yiwu verkauft. Der Erlös betrug über 400 Mio. Euro.
Dieser Beitrag ist Teil unserer Statistiken und Definitionen der deutschen Investmentbranche
Bildquelle: Malcolm Lightbody
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Der Inhalt dieser Seite wurde zuletzt aktualisiert am: 10.10.2024